8
Mai
2006

Emotionale Erpressung funktioniert.

Hatte gestern ein Gespräch unter vier Augen mit seiner kleinen Tochter
(inzwischen auch schon 9 Jahre alt)
Sie hatte wie immer ein langweiliges Wochenende hier:
Fernsehen, Computer, bei Oma rumhängen - das übliche.
Ich frage sie, ob sie das hier nicht langweilig findet.
Doch, sie findet die Wochenenden bei ihrem Papa sehr langweilig.
Warum sie dann immer herkommt, will ich wissen.
Weil Papa immer sagt, er würde sie vermissen!
Aha, emotionale Erpressung funktionert also.
Das arme Kind, was für ein Dilemma.
Will eigentlich nicht herkommen, will aber auch nicht Schuld sein, das Papa traurig ist.

Noch mehr wundere ich mich, dass die grössere Tochter, pubertierende 12 1/2 Jahr alt,
noch an den Wochenenden herkommt.
Manchmal sogar alleine, wenn ihre kleine Schwester einen Termin hat.
Sie interessiert sich inzwischen doch mehr für Jungs, Klamotten, Disco und Schminke.
Jetzt hat es mir ihre kleine Schwester verraten:
es gibt jedes Wochenende von Oma einen Beutel Süssigkeiten mit € 10,- dran!
Die Kleine bringt ihrer Schwester das Geld mit nach Hause,
wenn diese nicht mit hierher gekommen ist.
Kommt die Kleine aber auch nicht her, bringt auch keiner das Geld mit.
Und mit 12 1/2 ist man ständig in Finanznöten.
Da nimmt man dann schonmal ein langweiliges Wochenende beim Papa in kauf,
um an das Geld zu kommen!

Ohoh, wenn das mein Mann wüsste, aus welchen Gründen seine Kinder an den Wochenden herkommen.
Die Kleine aus Verantwortungsgefühl, die Grosse aus Geldnot.
Aber ich erzähle es ihm nicht.
Er würde es nicht glauben, und ich wäre dann die Böse.

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ChaosLady - 8. Mai, 12:41

ich denke, man sollte das, was die kleine da von sich gegeben hat, nicht zuuuuu hoch bewerten. sicher ist das care-paket der oma ein anreiz, sicher spielt auch die äußerung von vermissen des vaters eine rolle ... aber auch ohne all das sind kinder da in einer beschissenen situationen, in denen es ihnen schwer fällt und manchmal auch durch uns erwachsene schwer gemacht wird, entscheidungen gegen solche besuche zu treffen.

Kinkerlitzch3n - 8. Mai, 13:16

traurig sowas.

Thomas (Gast) - 13. Mai, 08:03

So sind se ...

Problematisch ist das nicht.

Problematisch wird es aber, wenn die Erwachsenen anfangen, sich nach den Wünschen und Vorstellungen der Kinder zu richten. 9 und 12jährige sind noch zu klein, um entscheiden zu können, was sie tun wollen oder sollen: da müssen die Erwachsenen noch viele Angebote machen - und einfach nichts zu machen ist auch erlaubt. Wenn die Erwachsenen aber ständig in einer Lauerstellung liegen, was die Kinder denn wollen könnten, merken die Kinder das und werden zappelig, nervös und unausstehlich. Denn es ist nicht die Rolle der Kinder, die Erwachsenen zu führen - das muss unbedingt andersrum sein. Erwachsene können da auch mal sagen: dieses Wochenende ist hier gar nichts, Du/Ihr seid einfach hier und sonst nichts. Sie können auch in einem offenen Gespräch die Kinder fragen: worauf habt ihr Lust? Aber sie (die Erwachsenen) müssen es sich antun, die Entscheidungen zu treffen: zuzustimmen oder abzulehnen. Denn das Entscheiden ist eine schwere Aufgabe, daran hängt nämlich auch die Verantwortung für die Entscheidung, ob sie gut oder schlecht war - und dafür sind Kinder noch zu klein. Und mit 12 1/2 sind es noch Kinder, die eigentlich lieber rumtoben würden als von den Erwachsenen auf die große Problematik ihrer beginnenden Pubertät hingewiesen zu werden (was ja wirklich zu früh ist: Pubertät kommt, wenn sie wirklich Zeit hat sich zu entwickeln, so mit 14,15). Den Kindern darf diese Verantwortung nicht zugeschoben werden.

Ich finde es auch nicht problematisch, wenn die Oma 10-Euro-Tüten verteilt. Die Oma ist die Oma, die darf das machen, weil die Oma nicht "die Eltern" ist. Der Vater dürfte das nicht machen, das wäre dann wirklich emotionale Erpressung. Aber die Oma hat in der Familienkonstellation nicht die Rolle des Erziehers: sie kann frei "mitschwimmen". Sie könnte das auch übertreiben, indem sie viel größere Geschenke macht oder fette Bedingungen an die 10 Euro knüpft: das tut sie aber, wie ich dem kurzen Text entnehme, offensichtlich nicht. Sie prahlt auch nicht damit herum, sondern sie macht das heimlich, ohne sich vor anderen damit als was Besonderes hervorzutun, oder? Ich weiß ja nicht, wie das genau abläuft - aber so eine Art "Geheimnis" zwischen Oma und Enkeln ist eine sehr schöne, runde Sache. Und wenn die Eltern das wissen, sollten sie sich hüten, es den Kindern gegenüber aufzudecken: sie drängen sich dann in deren Verhältnis zur Oma hinein. Dieses Verhältnis ist wichtig für die Kinder, weil die Oma damit viele andere Erfahrungen relativieren kann - und solange die Oma das nicht massiv in negativem Sinne ausnützt, würde ich das niemals als emotionale Erpressung bezeichnen. Es ist einfach ein Geheimnis zwischen Großeltern und Enkeln - mehr nicht.

Herzliche Grüße!
Thomas

Angsthase - 13. Mai, 14:03

Danke für Deine ausführliche Antwort.
Problematisch ist das ganze nicht, nein, aber traurig.
Er sieht seine Kinder alle 14 Tage und sie kommen nur her um aufbewahrt zu werden.
Die Kommunikation beschränkt sich auf "Darf ich an den Computer " seitens der Kinder
und diverse "Lass das" "Hör auf" seitens des Vaters.
Die haben sich 14 Tag nicht gesehen und reden nichts zusammen. Wann auch, die nehmen ja noch
nichtmal gemeinsam die Mahlzeiten ein.
Die Kinder flüchen zu den Mahlzeiten zur Oma nach nebenan, weil sie dort nicht gezwungen werden,
was zu essen, was sie nicht mögen, usw. usw.
Es ist erlaubt, nichts zu machen, aber das ist ja der Normalfall. Fragen, worauf die Kinder Lust haben,
macht er nicht, um Gottes Willen, dann müsste er ja was mit den Kindern unternehmen.
Ausserdem klaffen die Wünsche von einer 9-jährigen und einer fast 13-jährigen viel zu weit auseinander.

Und die fast 13-jährige, ist nicht mehr wirklich ein Kind. Sie schminkt sich, nennt sich im Chat
"Sanfter Engel", hat einen Freund, hängt mit ihren Freundinen rum, Klamotten und Jungs sind das
wichtigste. Mit Rumtoben hat die nichts mehr am Hut.
Und sie weiß genau, was sie will, nämlich nicht hier sein, aber trotzdem die 10,- Euro von Oma bekommen.
Thomas Reuter (Gast) - 13. Mai, 21:56

Männer sehen das (in der Regel) nicht so wie Frauen - daher kommt es da immer wieder zu Missverständnissen. Frauen können das (in der Regel) nicht gut haben, wenn die Kinder irgendwie rumhängen: sie versuchen dann, Angebote zu machen, sich irgendwie in sie hineinzudenken, Mitgefühl zu zeigen und so weiter. Ist ja auch gut - solange es die eigenen Kinder sind oder keine Konkurrenzsituation zur Mutter der Kinder auftritt.

Männer hingegen lösen in erster Linie mal Probleme - und wenn keins da ist, dann gibt's auch keins zu lösen, und sie widmen sich dem, was in ihren Köpfen an Plänen herumspukt. Ich wette, wenn die Töchter mit irgendwas ankämen und direkt sagten: Papa, kannst Du mir mal helfen, dann ginge das viel besser.

Ich nehme an, Dein Mann möchte vor allem "Normalität" im Umgang mit seinen Kindern herstellen. Und da ist am Wochenende in der "heilen" Familie auch nicht die große Sause. Das liegt aber vor allem daran, dass man die Kinder besser kennt, wenn man die Woche über mit ihnen zusammen ist: man weiß dann, wo sie gerade stehen und kann sie dort besser abholen. Die Situation, sein/e Kind/er 12 Tage nicht zu sehen und dann 2 Tage in epischer Breite, ist eine glatte Überforderung, die aber nicht gesehen wird: hier wird leider immer quantitaitv gegengerechnet. Es ist sehr anstrengend, die Woche über arbeiten zu gehen und am Wochenende sich den Erwartungen der Kinder ausgesetzt zu sehen. Das führt oft zu einer wesentlich ablehnenderen Haltung als eigentlich angemessen wäre: die Männer fühlen sich dann eingesperrt, angebunden, in fremden Welten gefangen und können sich nicht mehr so frei bewegen, wie sie das gerne täten. Frauen kennen das meiner Beobachtung nach nicht so, die sind viel eher bereit, Kinder - auch die anderer Leute - in ihren Alltag einzubinden. Das hängt m.E. auch damit zusammen, dass Frauen mehr Zeit im Haus verbringen und sich an das Haus besser gewöhnt haben. Männer, die Kinder haben, sind auch oft gleichzeitig in irgendwelchen Büros beschäftigt, und dort ist ihr Arbeits- und Lebensmittelpunkt, nicht so sehr zu Hause, denn sie verbringen ihre Wach-Zeit zum allergrößten Teil im Büro - und dort gibt es überhaupt nichts, was irgendwie mit Kindern zu tun hat. Am Wochenende dann auf einmal umschalten zu müssen und sich auf die Bedürfnisse der Kinder einzustellen: das gelingt nur wenigen, die sich das aber auch ganz wissentlich bewußt machen. Vor denen habe ich Achtung, ohne die anderen zu kritisieren.

Das ist nur eine Erklärung, keine Rechtfertigung: es sollte schon besser sein. Aber es geht nicht, und Vorwürfe machen bringt nur noch mehr Ablehnung. Ich glaube, es wäre gut, wenn Du diese vier ihre familiären Interaktionen unter sich ausmachen lassen könntest, so traurig das auch aus Deiner Warte aussieht. Es ist so, und die vier müssen damit leben, und sie werden das auch können. Ich glaube, dass es Deinem Mann wesentlich besser geht, wenn er merkt, dass Du das Dilemma verstehst, in dem er steckt.

Das Dilemma ist: Männer haben traditionell die Rolle, die Familie zu versorgen und zu beschützen: sie sind nicht in der Lage, sich gegen diese Rolle zu wehren, sie müssen sie übernehmen, das wird so erwartet. Sie nehmen, wenn sie in der Familie sind, diese Rolle gerne wahr, bezahlen aber dafür damit, dass sie ihre Kinder nur selten sehen und eher an der langen Leine führen (also nicht durch dauernde Begleitung, sondern mehr durch lautes Bellen an bestimmten Punkten). Wenn diese lange Leine auch noch - wie im Fall Deines Mannes - gekappt worden ist, dann haben sie so gut wie keine Beziehung mehr zu ihren Kindern. Sie lieben sie wirklich, aber sie wissen nicht, wie sie das jetzt noch rüberbringen sollen. Denn diese Beziehung muss jemand von innen her aufrecht erhalten und fördern: in der Familie übernehmen das die Mütter, ohne sich darüber klar zu sein. Aber geschiedene Mütter haben da wenig Interesse dran: oft versuchen sie auch noch, den Vater vor den Kindern herabzusetzen, damit die Kinder die Mutter mehr lieben sollen als den Vater. So sind geschiedene Väter doppelt gestraft: die nur geringe Beziehung zu den Kindern wird eigentlich komplett zerstört, und an 4 von 30 Tagen sollen sie auch noch den Ganztags-Papa abgeben. Das ist eine Total-Überforderung, und viele Männer wehren sich mit Verweigerung dagegen.

Sie wissen es nicht besser - ich auch nicht. Es ist mir früher genau so gegangen. Seit die Kinder dann für immer alle bei mir waren, hatte ich überhaupt kein Problem mehr damit: ich habe mich nur noch ganz, ganz selten überfordert gefühlt. Aber als Wochenend-Papa, wenn die Kinder an den vier Tagen im Monat wieder weg waren: dann lag ich erschöpft auf der Couch und hab meine Freundin angeblafft. So, mit den dreien hier zusammen, hielt ich das jahrelang aus, und es war eine schöne Zeit, in der ich mich nicht aufarbeiten mußte. Das muss man sich mal klar machen, dass man da Äpfel mit Birnen vergleicht, wenn man einfach das Verhältnis 12:2 bildet.

Schönen Sonntag!
Thomas
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